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Re: Männer müssen selbstbewußter werden!

geschrieben von K. am 23.11.2000 um 23:41:22 - als Antwort auf: Männer müssen selbstbewußter werden! von Werner
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Dem Beitrag kann man(n)nur voll und ganz zustimmen. Hat bei mir zwar nur bis Anfang 30 gedauert, bis ich mich endlich in dieser Richtung bewegt habe, meine Erfahrungen waren aber ähnlich und auf jeden Fall war es für mich eine richtige Entscheidung.
Fände es gut, wenn der Beitrag beim nächsten Update der Homepage berücksichtigt würde, da er m.E. für viele Zögerer eine Entscheidungshilfe sein könnte.

>Mit diesem Text möchte ich C. und allen Unentschlossenen meine Geschichte rüberbringen. Ich bin 44 Jahre und habe mindestens 10 Jahre "Ohrlochromantik" verloren, indem ich auf meine Umgebung Rücksicht genommen habe. Wie C. lebe ich in einem Umfeld, in dem grundsätzlich Männern keine Ohrlöcher zugestanden werden. Ich bin Beamter in einer Dienststelle mit über 90 (!) männlichen Mitarbeitern, darunter vielen Juristen (einer davon mit der Narbe einer schlagenden Verbindung aus Studienzeiten) und im übrigen, wie ich selbst auch, zumeist Beamte mit anspruchsvoller Außendiensttätigkeit. Die wenigen Frauen in der Dienststelle sind sich ihrer Ausnahmestellung durchaus bewußt. Das private Umfeld ist ebenfalls sehr konservativ. Im Familienkreis wurde vor einigen Jahren das Tragen von Ohrschmuck in einer ausgiebigen Gesprächsrunde leztlich als asozial und für das berufliche Fortkommen eines Mannes, weil dem Modediktat folgend und damit absolut nachteilig, abgetan. Das Fazit des "Familienrats" lautete, dass Männer mit Knopf im Ohr wenn nicht schwul, so doch zumindest unreif sind und einem aktuellen Modetrend blind folgen - nicht wissend, welchen gesellschaftlichen Schaden sie sich und dem näheren Umfeld damit auf Dauer zufügen. Unter 8 erwachsenen Menschen zwischen 35 und 70 Jahren fühlte ich mich ziemlich überfahren. Allein meine Nichten (14 und 16 J.) zeigten durch ihren Augenaufschlag, dass die Diskussion "der alten Leute" nervte. Meine Frau verhielt sich in Kenntnis meiner jahrelang unterdrückten Vorliebe für eigenen Ohrschmuck in dieser Runde neutral. Dennoch war sie mit den Nerven runter, als ich etwa drei Wochen später nach einem Friseurtermin (dort werden bekanntermaßen Ohrlöcher gestochen) mit drei mutmaßlichen Ohrsteckern (2 links/ 1 rechts) nach Hause kam. Sie war erst beruhigt, als sich die Teile als Magnet-Ohrstecker entpuppten. Die Rücksichtsnahme auf Familienangehörige, berufliches und privates Umfeld führte dann bei mir zu einer längeren Bedenkzeit, die im letzten Sommer jäh endete.
>Durch widrige Umstände war ich 1 1/2 Woche allein verreist. In diesen Tagen kam mein Wunsch nach Ohrschmuck unvermittelt wieder ans Tageslicht. Nach mehrtägiger reiflicher Überlegung, mindestens zweie fast schlaflosen Nächten und Äbwägung aller zu erwartender Unannehmlichkeiten habe ich mir dann kurzentschlossen (ohne Heldentum oder sonstige Überwindungen, denn es hat nicht richtig wehgetan) links zwei Ohrlöcher stechen lassen. Die Tage zuvor hatte ich bereits den Ernstfall geprobt, indem ich ein "Überlebenstraining" mit BCR`s als Créolen absolvierte (die Piercing-Scene kennt BCR`s als Ball Closure Rings). Ich wollte damit die Reaktionen der unbekannten Mitmenschen testen. Diese nahmen (erwartungsgemäß) keine Notiz von meinen "Créolen". Dies änderte sich auch nach dem Stechen der Ohrlöcher nicht. So waren meine anfänglichen Hintertürchen, dass man bei Nichtwohlfühlen die Stecker herausnimmt und in wenigen Tagen sieht keiner mehr was davon, schnell verschüttet. Meiner Frau hatte ich meine Tat umgehend telefonisch gebeichtet, so dass sie bei meiner Rückkehr wußte , was sie erwartete. Sie hat auch nicht andeutungsweise versucht mich zum Herausnehmen der Stecker zu überreden. Denn eigentlich findet sie Ohrstecker bei Männern ganz Taff; es muss nur nicht unbedingt der eigene Mann sein -wegen Familie und so. Meine Eltern haben nur geguckt, sich sonst aber ganz zurückgehalten. Doch haben sie wohl gedacht:Jetzt spinnt er ganz! Ein Schwager und Wortführer des o.a. Familienrats versuchte beim ersten folgenden Zusammmenkommen, hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln, doch direkt darauf angesprochen wechselte er das Thema. Meine Schwiegermutter (ohne Ohrringe)hat einige Zeit später meine Frau gefragt, ob ich wohl Probleme mit dem Abheilen hatte. Damit war das Thema Familie abgehandelt. Im Job sieht man die unterschiedlichsten Reaktionen. Die Mutigen sprechen einen in positiver Weise darauf an, während die Andersdenkenden einen verstohlenen Blick riskieren und dann weitergehen. Insofern ist es mir viel lieber darauf angesprochen zu werden, als dass hinten herum getuschelt wird.
>Als Fazit aus meinen Erlebnissen möchte ich jedem Interessierten mit auf den Weg geben, dass er nach seinen Wünschen handeln und entscheiden muß. Rücksichtnahme auf Familie und Beruf/Freundeskreis darf nicht entscheidend sein. Ist man sich nicht ganz sicher, sollte man es in einem Urlaub ausprobieren. Der Stich tut nicht weh und man erfährt die ehrlichen Reaktionen eines unvoreingenommenen Puplikums. Fühlt man sich nicht wohl mit Ohrschmuck, so nimmt man die Dinger nach wenigen Tagen kurzerhand heraus. Es bleibt dann noch für einige Tage ein Mückenstich zurück. Doch ich bin mir nach meinen Erfahrungen sicher, dass die Wenigsten mit einem Mückstich nach Hause fahren.
>Die Reaktionen des privaten und beruflichen Umfeldes kann man in keinem Fall beeinflussen, man muss sie einfach durchstehen. Die überwiegenden Reaktionen sind nach meinen Erfahrungen positiv, zumindest wird Respekt vor einer "mutigen" Entscheidung gezeigt. Ich habe meinen "Mut" jedenfalls nicht bereut und mich besonders über einige unerwartete positive Meldungen gefreut. Geärgert habe ich mich nach meiner "Tat" nur über mich selbst, denn ich habe 10 Jahre mit Zaudern und "Was wäre wenn" verloren.
>Und deshalb denke ich:
>Nur wenn die Männer endlich zu ihren eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen stehen, wird der männliche (Ohr-)Schmuckträger in den nächsten Generationen ebenso selbstverständlich sein, wie es heute bei Frauen der Fall ist.
>Also Männer traut Euch!!

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